50 Jahre LC Berlin
Gute Werke zu tun und diese öffentlich zu präsentieren, ist nicht Stil unseres Lions-Clubs. "Tue Gutes und sprich nicht darüber!" dagegen ist unsere Devise. Nun soll aber nach 50 Jahren Lebenszeit unseres Clubs Bilanz gezogen werden. Eine nicht ganz leichte Aufgabe. Schlagzeilen, große Artikel, Gedenktafeln oder dergleichen (siehe oben) fehlen. Nur aus der Erinnerung noch aktiver Lionsfreunde kann eine, wenn auch lückenhafte, Aktivitäten-Historie aufgezeichnet werden. Zuvor ist auch noch folgender Hinweis, der schon von den Gründungsmitgliedern geprägt wurde, wichtig. Wir versuchen in erster Linie notwendige Hilfen in unserem Einflussbereich zu geben, denn: wir wollen sehen und wissen, was mit unseren eingesetzten Mitteln geschieht und welchen Erfolg sie haben. Denn zwischengeschaltete Gremien oder Verwaltungen mindern oder verzögern jede eingeleitete Maßnahme. Und:der persönliche Einsatz von Lionsfreunden sollte Aktivitäten möglich machen und begleiten.
Nun Schluss mit der Vorrede, beginnen wir: Gemäß den genannten Grundsätzen ist aus Berichten von Gründungsmitgliedern bekannt, dass in den 1950er Jahren, Oberschüler betreut und diesen durch persönliche Aufnahme große Hilfe zuteil wurde. Es waren Schüler, die in Ost-Berlin wohnten; ein West-Berliner Gymnasium besuchten, aber kurz vor dem Abitur nicht mehr zur Schule in West-Berlin gehen durften. Lionsfreunde boten die Wohnmöglichkeiten. Eine ganz auf die Personen bezogene Activity.
Herausragend war auch unsere Hilfe für körperlich behinderte Menschen, die in den Pflegeeinrichtungen des "Mosaikheims" wohnten. Es wurden Ausflüge mit dem Bus oder Dampfern und Kaffeenachmittage organisiert, wobei Lionsfreunde als "Rollstuhlschieber", aber was ebenso wichtig war, als Gesprächspartner dienten. Höhepunkt der Activity für das "Mosaikheim" war die Übergabe eines Mercedesbusses. Gestiftet anlässlich unseres 25-jährigen Clubjubiläums. Die Übergabe erfolgte vor der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche. In Anwesenheit S.K.H. Prinz Louis Ferdinand von Preußen hielt unser Lionsfreund Pastor Pohl die Festansprache. Ein großes Orgelkonzert beschloss den Festakt. Unser ältestes Clubmitglied, Lionsfreund Hans-Heinz Lucius, war amtierender Präsident.
Auch vor körperlicher Schwerarbeit scheuten sich Lionsfreunde nicht. In einer Gemeinschafts-Activity mit dem LC Hamburg musste das Hotel Hamburg von sämtlichen Möbeln entsorgt werden. Alle Zimmer wurden für die Neueinrichtung geräumt. Die Möbel wurden in LKWs, die auf dem Hof standen, verladen und in eine DRK-Einrichtung gegeben. Lionsfreunde des LC Berlin stellten die "Transportkolonne".
Im Lionsjahr 1984/85 bestätigten die Mitglieder unseres Clubs einstimmig unsere Grundsätze. Wir leisten nur dort tätige Hilfe, wo sie für uns Berliner am naheliegendsten und vor allem auch sicht- und prüfbar ist. Unter diesen Gesichtspunkten nahmen wir Kontakt zum Landesausschuss der Inneren Mission in Potsdam auf. Wir baten um Hinweise für Hilfsmöglichkeiten in unserer unmittelbaren Umgebung. Nach Erläuterung unseres Vorhabens und der Erklärung "was ist Lions?", wurden wir zu einem Besuch des Altenpflegeheims in Sachsenhausen bei Oranienburg eingeladen. Dieser Besuch wurde zu einem erschütternden Erlebnis. Er hinterließ einen unauslöschlichen Eindruck. In einem sanierungsbedürftigen Gebäude lebten ca. 80 alte, geistig und körperlich behinderte Menschen, die zum größten Teil Pflegefälle waren. Primitivste Verhältnisse herrschten, es gab keine ausreichenden Sanitäreinrichtungen und keine Waschgelegenheiten in den überbelegten Zimmern. Es herrschte eine qualvolle Enge. Beeindruckend jedoch die liebevolle Betreuung der alten und kranken Menschen durch das Pflegepersonal. Hier war Hilfe dringend notwendig! Die Sanierung und ein Neubau waren geplant, doch große Sorge bereitete die Beschaffung von behindertengerechten Armaturen. Das gleiche galt auch für Badeeinrichtungen. Hier konnten wir also helfen. Sämtliche Armaturen – nun auch in den umgestalteten Zimmern und im Ergänzungsbau – sowie drei Spezialbadewannen einschließlich der dazu passenden Badelifter – stellte der LC Berlin zur Verfügung. Das neu gestaltete Haus wurde unter dem Namen "Friedrich-Weißler-Haus" von Bischof Forch eingeweiht und auch Lionsfreunde konnten die Freude der Betreuer und Heimbewohner miterleben. Die nun schon freundschaftlichen Kontakte zu den Herren des Landesausschusses Potsdam führten zu weiteren Activities: unter anderem zu der Lieferung eines Schwimmbadliftes für das Bewegungsbad der physikalischen Therapie in den Samariter-Anstalten Fürstenwalde/Spree. Mit der Installation dieses Liftes wurde es den Therapeutinnen möglich, auch schwerstbehinderte Jugendliche in das Bewegungsbad abzusetzen und durch gezielte Behandlung Linderung und Zustandsverbesserung herbeizuführen.
Die persönlichen Erlebnisse mit Kindern und Jugendlichen, die aufgrund ihrer schweren körperlichen und geistigen Gebrechen in Heimen leben müssen, führte zu einer Activity, die nun schon Tradition im LC Berlin geworden ist: Die Unterstützung eines Heimes in Lünow-Grabow am Beetz-See bei Brandenburg. Der "Lindenhof" beherbergt ca. 40 junge Menschen im Alter von 16 bis 30 Jahren. Das geistige Alter dieser Heimbewohner ist jedoch vergleichbar mit drei bis 8-jährigen Kindern. Ein Kontakt zum Elternhaus oder zur Familie besteht meist nicht mehr. Seit 1986 erhalten diese jungen Menschen nun jedes Jahr jeweils von einem Lionsfreund ein persönliches Weihnachtspäckchen. Jedem von uns wird ein Heimbewohner zugewiesen, dem er zu Weihnachten ein Päckchen schickt. Am Heiligen Abend werden zur Bescherung die Päckchen dann vom "Weihnachtsmann" an die Empfänger verteilt. Es ist in jedem Jahr ein großer Jubel und eine unbeschreibliche Freude. Wer es einmal miterlebt hat weiß, was es bedeutet, Freude zu bereiten. Ein Weihnachtserlebnis, welches froh und freudig macht. Hiermit endeten unsere Activities in der DDR aber noch keineswegs. Aus einem seiner Pflegeheime stellte ein Lionsfreund 100 gebrauchte, doch gut erhaltene, Krankenhausbetten und Nachttische zur Verfügung. Wir übergaben 50 Stück an den Landesausschuss der Inneren Mission Potsdam zur Weiterleitung an Pflegeheime in der DDR und 50 an den Deutschen Caritasverband, der diese an das St.-Elisabeth-Krankenhaus in Halle weitergab. Um die 50 Betten für die Altenpflegeheime auch mit den notwendigen Matratzen auszustatten, sammelten wir anlässlich eines offiziellen Clubabends spontan 6.000 DM! Damit konnten die Matratzen beschafft und die 50 Betten vervollständigt werden.
Im Lionsjahr 1986/87 konnten wir durch gute persönliche Kontakte zur Direktion eines evangelischen Westberliner Krankenhauses, 550 Krankenhausbetten, darunter 20 für die Intensivpflege und einen mobilen OP-Tisch übernehmen. Es waren Betten erster Qualität, die erst ca. acht Jahre im Gebrauch waren und sich demgemäß in einem hervorragenden Zustand befanden. Mit Hilfe des Deutschen Caritas-Verbandes (Übernahme der Transportkosten) konnten wir die Betten an DCV-Krankenhäuser in der DDR ausliefern. Zur damaligen Zeit ein nervenaufreibendes und spannendes Unternehmen. Wer den Bettennotstand in DDR-Krankenhäusern kannte, weiß, welche außerordentliche Hilfe hier geleistet wurde.
1988 wurde beschlossen, für eine neu aufzubauende Dialysestation im Königin-Elisabeth-Krankenhaus in Berlin-Lichtenberg die Osmoseanlage (Wasserwiederaufbereitungsanlage) zu beschaffen. Eine Activity, für die der LC Berlin 70.000 DM bereit gestellt hat. 1991 konnte die Anlage in Betrieb genommen werden.
Am 9. November 1989 öffneten sich die Grenzen und für unsere Aktivitäten nun auch neue Wege. An einige Höhepunkte sei hier erinnert. Das Oberlin-Haus in Potsdam-Babelsberg betreut in einer besonderen Einrichtung Menschen, vor allem aber Kinder, die von Geburt oder durch spätere Schädigungen taub und blind sind. Für die sehr aufwendige Betreuungsarbeit wurden kurz nach der Grenzöffnung großzügig therapeutische Hilfsmittel zur Verfügung gestellt. Herausragend war die Einrichtung eines ca. 40 Quadratmeter großen "Snoezelen"-Raumes. Der Begriff stammt aus den Niederlanden und bezeichnet einen Raum, der mit Licht und Toneffekten ausgestattet, und dessen Bodenfläche mit einem weichen, warmen Material ausgelegt ist. In einem besonderen Bereich liegt eine mit angenehm warmen Wasser gefüllte Matte. In diesem Raum können die Grenzwerte von Licht- oder Tonimpulsen ermittelt werden, zu deren Wahrnehmung ein Taubblinder noch fähig ist.
Wolfen-Bitterfeld ist nach der Wende durch seine enorme Luftverschmutzung unrühmlich bekannt geworden. 1991 beschlossen wir, Kindern aus dieser Region mit Erkrankungen der Atemwege, einen dreiwöchigen Kuraufenthalt auf Sylt zu ermöglichen. Der Chefarzt der Kinderklinik erstellte eine Namensliste von 15 Kindern, ein Lionsfreund klärte vor Ort die Aufnahmemöglichkeiten in einer Kureinrichtung und im Frühjahr 1992 konnten wir die erste Gruppe auf die Reise schicken. Begleitet wurde die Gruppe, sowohl auf der Hin- als auch auf der Rückfahrt, von einigen Lionsfreunden und ihren Frauen. Der Erfolg der ersten Reise ließ weitere folgen.
Der Erfolg krönte jedoch unseren Weg.
Die klare Zielsetzung unseres Clubs zur Activity, d.h. das Hauptaugenmerk darauf zu richten – was geschieht mit unserem Einsatz, welchen Nutzen bringt er für die Betroffenen und ist die Kontrolle über die Maßnahmen in unserer Hand? – brachte auch einmal harte Differenzen mit dem amtierenden District-Governor. Die Lionsbewegung wurde 1917 gegründet und feierte 1992 ihr 75-jähriges Bestehen. Oak Brook, Lions International, rief aus diesem Anlass zu einer weltweiten Spendenaktion unter dem Motto "Sight first" auf. Ein Hospital für Behandlungen von Augenkrankheiten sollte mit dieser Aktion in Indien gebaut und ausgerüstet werden. Dazu regte unser District Governor an, jeder Lion soll neben seinem festgelegten Activity-Beitrag gesondert eine Zahlung leisten. Ein große Summe sollte zusammen kommen und vom Governor an Lions International für "Sight first" übergeben werden. Für uns also eine anonyme Spende, die nicht unseren gefassten Grundsätzen entsprach. Nach eingehender Diskussion im Club wurde dieses Vorgehen einstimmig abgelehnt. Wir boten dagegen als Spende des LC Berlin die Lieferung eines OP-Tisches für die Ophthalmologie (Augenheilkunde) an. Ein Lionsfreund beschaffte aus seinem Unternehmen den OP-Tisch, ließ ihn für den Seetransport verpacken und schickte ihn auf die Reise. Ziel: Salaigramam, Süd-Indien. Im Mai 1994 kam die Nachricht, die Sendung ist im Hafen von Madras eingetroffen. Für den Weitertransport sorgte die Helen-Keller-Stiftung. Im April 1995 wurde das Krankenhaus eröffnet. In einem sehr herzlich gehaltenen Brief an unseren Club bedankte sich der Direktor und der Chefarzt für unsere Spende. Unsere individualistische Verhaltensweise führte zu der erwähnten sehr heftigen Auseinandersetzung mit dem District Governor. Der Erfolg krönte jedoch unseren Weg.
Eine lückenlose Aufzählung unserer Aktivitäten sprengt den Rahmen, der hier vorgegeben ist. Aber die vielen kleinen Hilfen, z. B. für Familien in Not, für Obdachlose in extrem kalten Wintern, für Hilfen an in Notsituationen befindlichen Einzelpersonen, sollen keineswegs vergessen werden. Sie sind vielleicht nicht herausragend, jedoch für die Betroffenen hilfreich und von großem Wert.
Auch in der Zukunft wird der LC Berlin seinen Grundsätzen treu bleiben. Halten wir uns an das Zitat eines Lionsfreundes, das er an den Schluss eines Briefes gesetzt hat: "We serve – geräuschlos und effektiv!".