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4. Kapitel

Das letzte Jahrzehnt im zweiten Millennium und der Beginn des 3. Jahrtausends...

... begann im Juni 1991 mit der Präsidiumsübergabe zum Lionsjahr '91/'92 im Spiegelsaal von Schloss Köpenick. Die Wahl dieses Veranstaltungsortes war „nicht nur Ausdruck der Verpflichtung, für diese traditionelle Zeremonie einen adäquaten Rahmen zu schaffen, sondern zugleich politische Absichtserklärung, die internationale Ausrichtung der Lionsbewegung auf Gestaltungsmöglichkeiten des LC Berlin durch Erschließung des östlichen Teils Berlins und auch darüber hinaus umzusetzen“, wie Präsident Goldmann, Nachfolger von Lf Uwe Foitzik, betonte. Tatsächlich öffneten sich mit dem Fall der Berliner Mauer eine Vielzahl neuer Türen, nicht nur hinsichtlich neuer Activities, sondern auch für die Erkundung der neuen Bundesländer.

So konnten die Lions des LC Berlin schon 1990 eine Herrenpartie nach Dresden unternehmen, die noch im Jahr zuvor an politisch-bürokratischen Hindernissen gescheitert war. Der Ausflug wurde so zu einem kleinen historischen Ereignis – und die politische Wende in der DDR direkt erlebbar. Andere Male fuhren die Lions-Herren an Himmelfahrt in die Schorfheide, nach Michaelisbruch oder Görlitz – alles Ziele in der mehr oder weniger nahen Berliner Umgebung, die vor dem November 1989 wenn überhaupt nur mit größtem organisatorischen Aufwand und diplomatischem Geschick hätten besucht werden können. Gleiches galt für die clubinternen Höhepunkte wie Charterabende oder Adventsfeiern. So nahm die Charterfeier von 1991 „einen ganz besonderen Platz in den Annalen des LC Berlin ein“, wie es im Rundschreiben vom 23. Dezember 1991 hieß. Ort des Geschehens war die 1944 zerstörte und 1983 wieder restaurierte Friedrichstadtkirche am Gendarmenmarkt, in der vorweihnachtliche Lieder und klangvolle Orgelmusik auf dem Programm standen. Ähnlich beeindruckend war die Stimmung im nächsten Jahr, als die Adventsfeier des LC Berlin zum ersten Mal im Berliner Dom begangen werden konnte. Doch nicht nur zu clubinternen "Hochfesten" verlagerte man sich gen Osten, auch der Cluballtag verschob sich nach der Wende ein paar Kilometer hin zur Berliner Mitte: Die Clubabende wurden in den 1990er Jahren nicht mehr im Hotel Berlin abgehalten, sondern bis 1997 im Maritim Grand Hotel Unter den Linden. Danach trafen sich die Mitglieder vom LC Berlin direkt am Brandenburger Tor im Hotel Adlon.

Da nun also die Tore offen standen und der Genuss räumlicher Freizügigkeit zur Selbstverständlichkeit geworden war, drängten sich bald tiefer gehende Fragen auf. Fragen nach der Vergangenheit des deutschen Nachbarstaates, Fragen nach Opfern und Tätern des realsozialistischen Systems, das West-Berlin vier Jahrzehnte umgeben hatte. Das Interesse im LC Berlin an diesen Fragen mündete in eine bewusste Konfrontation mit der brisanten Thematik: Im März 1993 referierte Herr Dr. Geiger, der Direktor beim Bundesbeauftragten für die Unterlagen des ehemaligen Staatssicherheitsministeriums der DDR, über die Arbeit der so genannten Gauck-Behörde und entfachte mit seinem Vortrag eine leidenschaftliche Diskussion. Angeregt durch die Schilderungen des Referenten besuchte der LC Berlin daraufhin das ehemalige Ministerium für Staatssicherheit der DDR in der Normannenstraße. Auf Initiative von Lf Wolf-Rüdiger Felgner ging es im Januar 1995 in die ehemalige STASI-Untersuchungshaftanstalt in Hohenschönhausen, deren Eindrücke für alle Teilnehmer beklemmend in Erinnerung blieben.

Die Aktivities dieser Zeit hatten Ihren Schwerpunkt im Ostteil Berlins und im Umland aber auch im Rahmen der internationalen Activity SIGHT FIRST (zur Unterstützung Augenleidender in Entwicklungsregionen). Durch ein großes Spendenaufkommen konnte krebskranken Kindern etwas Lachen geschenkt werden.  „Clowns im Krankenhaus“ fanden mit ihren Späßen bei den Kindern so großen Anklang, dass eine Clown-Sprechstunde für die Kinder in verschiedenen Kliniken angeboten wurde.

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass der LC Berlin seinen Activity-Auftrag seit den 1990er Jahren verstärkt kulturell auffasste. Erfahrung damit hatte man schon 1987 gemacht, als der LC Berlin mit 12.000 DM die Restaurierung von acht während des Zweiten Weltkrieges zerstörten Seitenfenstern in der Blockholzkirche St. Peter und Paul in Nikolskoe anlässlich der 750-Jahrfeier Berlins mitfinanzierte. Der Schwerpunkt des Activities blieb aber nach wie vor im sozialen Bereich. Spenden an kulturelle Institutionen, insbesondere an Museen zum Beispiel zur Restaurierung von Skulpturen, ergänzten vielmehr das soziale Engagement – und sei es auch im ganz individuellen Fall die wiederholte Spende eines Theaterjahresabonnements für einen chronisch kranken und bedürftigen Menschen.

Die Lions auf Reisen

Natürlich war in den 1990er Jahren die Activity nur ein Aspekt des Lions-Club-Lebens, wenn auch sicherlich der wichtigste. Daneben gab es die traditionellen Unternehmungen: Besuche kultureller Veranstaltungen, Fahrten und Ausflüge bei denen sich oftmals Freundschaften bildeten oder bestehende festigten. Welche der vielen Highlights soll man auswählen, wenn man von ihnen berichten möchte? Die Burgundreise 1995 oder der Berlin-Paris-London-Berlin-Trip 1997 oder vielleicht die Fahrt nach Breslau 2001? Da fällt die Qual der Wahl schwer... Eine Reise, die wahrscheinlich vielen, auch den Damen, in Erinnerung geblieben ist, war die Fahrt in die Champagne im April 1994. Vier Tage residierten die Lions in idyllischer Lage inmitten von Weinbergen im Hotel Royal Champagne, einer ehemaligen Poststation aus dem 18. Jahrhundert, und erfuhren alles über die Kunst der Champagnerherstellung. Und um zu prüfen, ob die Theorie auch für die Praxis taugt, blieb es nicht nur bei Besichtigungen und Vorträgen, denn auch das Verkosten der edlen Tropfen kam dabei nicht zu kurz.

Von Suppenküchen und Nikolausmützen...

Es neigen sich die 1990er Jahre dem Ende entgegen. In den letzten  Jahren vor dem neuen Millennium wurden noch einmal bedeutende Activity-Fundamente gelegt, die bestimmten sozialen Einrichtungen auf die Beine halfen oder mit ins Leben riefen. Zu den wichtigsten gehörte die Suppenküche in Pankow, einer Sozialstation, die Obdachlose und Bedürftige nicht nur mit Verpflegung versorgt, sondern in der auch Kleider gewechselt werden und ein Bad genommen werden kann. Der LC Berlin spendete seit 1997 über Jahre hinweg einen monatlichen Betrag von 1.000 DM, um diese Einrichtung zu unterstützen. Dann: Mit einer Spende von 20.000 DM für einen Jugendclub in Bernau wurden wichtige Renovierungs- und Umstrukturierungsarbeiten ermöglicht. Eine Gemeinschaftsactivity der Berliner Lions-Clubs erfolgte in den Wintern 1997 und 1998, als unter der Schirmherrschaft von Frau Diepgen ein Weihnachtsmarkt in den Friedrichstadtpassagen initiiert wurde, bei dem jeder Berliner Lionsclub einen eigenen Stand betreute.

50 Jahre im Dienst der Allgemeinheit

Fünfzig Jahre Lions Club Berlin. Eine Jubiläumsschrift soll die Linien herausarbeiten, an denen sich das Clubleben entwickelt hat, die Höhepunkte und Kuriositäten, die es bunt und lebendig werden ließen. Kleine Schritte und große Taten dürfen darin vorkommen – aber sie kann nie vollständig sein. Auch wenn nicht all die Menschen namentlich erwähnt werden konnten, die dazu beigetragen haben, dem Lions Club Berlin, dem ältesten der deutschen Hauptstadt, ein Profil zu geben, ihn zu dem werden zu lassen, was er heute ist, so soll doch ihnen allen mit dieser Festschrift eine Würdigung zu Teil werden. Sie alle haben dazu beigetragen, dass "ihr Club" einiges geleistet hat: Fast 1,5 Million Euro an Geld- und Sachspenden sind von mehreren Mitgliedergenerationen oder durch deren Initiative zusammengekommen. 50 Jahre lang wurden damit soziale Einrichtungen vor allem in Berlin, aber auch außerhalb der Stadtgrenzen unterstützt.

Diese 50 Jahre sind Geschichte, auf die man stolz zurückblicken kann, aber kein Anlass zum selbstzufriedenen Ausruhen sind. Die nächsten 50 Jahre warten, in denen der Lions Club Berlin weiter beweisen kann, welchen Wert das Engagement Einzelner für den Erhalt einer aktiven Bürgergesellschaft hat.